In Erinnerung an Walter Schmühl

Diese Todesanzeige schickte mir meine Schwester soeben zu. Walter Schmühl war mein Chef, als ich meine ersten Schritte im Journalismus machte. Am 1. September 1997 begann ich ein Praktikum bei der Dürener Zeitung - Lokales, deren Lokalchef Walter Schmühl war. Er war etwas mürrisch, hatte einen trockenen, schnoddrigen Humor. Ein Journalist und Mann der alten Schule, würde man wohl sagen. Als junger Mensch hatte ich jedenfalls ordentlich Respekt vor ihm. Gleich bei der Begrüßung am ersten Tag meines Praktikums sagte er zu mir: "Wir können keine Leute gebrauchen, die nicht schreiben können, denen man alles erklären muss und denen man die Arbeit vorsetzen muss. Wenn du zeigst, dass du was drauf hast und engagiert bist, kommen wir ins Geschäft." Nach zwei Wochen war ich freier Mitarbeiter und schrieb über Kaninchenzuchtvereine, Karneval, schließlich über Theater, Kabarett und Kultur. Von Walter Schmühl habe ich einiges gelernt. Er war ausgebildeter Fotograf, und damals musste man neben dem Schreiben auch das Fotografieren einigermaßen beherrschen, sowie das Entwickeln der Fotos im hauseigenen Labor. Als ich in einem Bericht mal die Fakten durcheinander brachte, sagte er: "Das passiert uns allen. Aber bei Fakten immer mindestens viermal prüfen. Du kannst so schön schreiben, wie du willst. Wenn die Fakten nicht stimmen, ist es scheiße." Wer Verantwortung übernahm und Leistung zeigte, hatte sehr viele Freiräume bei ihm. Zumindest habe ich das so erfahren. Er war auch jemand, der sich vor seine Mitarbeiter stellte. Er hat mich mehrmals vor aufgebrachten Karnevalsfunktionären in Schutz genommen, denen ich in meinem Berichten zu kritisch (und zu kreativ) war und die daraufhin drohten, ihr Abonnement zu kündigen. Seine Antwort am Telefon: "Auf solche Leser können wir verzichten." Ich kann mich auch erinnern, wie er Lokalpolitiker empfing, die in seinem Büro aufliefen, um sich über seinen Kommentar zu beschweren. Er saß zurückgelehnt in seinem Bürosessel, lässig, abwartend, mit einem süffisant-herablassenden Blick. Der Lokalpolitiker stand vor ihm und trug seine Kritik an der Kritik vor. Schmühl lauschte und sagte schließlich: "Wenn Sie als Politiker keine Kritik abkönnen, sind Sie falsch im Job. Ich muss jetzt arbeiten." Er konnte nicht nur mit scharfer Feder schreiben, sondern auch sehr einfühlsam. Fűr eine wahnsinnig gute Reportagenserie über den Fluss die Rur, die mir bis heute in Erinnerung geblieben ist, erhielt er den Theodor-Wolff-Preis. Einmal, als er mich in seinem Jeep mitnahm, versuchte er mir die Schönheit des Jagens zu vermitteln. Er war leidenschaftlicher Jäger, was ich allerdings etwas befremdlich fand. Ich trug damals schon lange Haare. Wahrscheinlich hielt er mich für einen Hippie. Ich bin sehr dankbar, dass er derjenige war, unter dem ich zum Journalisten wurde.

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